Fugenlose Bäder und fugenlose Duschen

Fugenlose Bäder und fugenlose Duschen

von Hannes Bäuerle

Ein Bad ohne Silikon(fugen) scheint heute in der Umsetzung und Ausführung unmöglich zu sein. Doch gerade diese, oft mit funktionalen Anforderungen begründeten (Dehn-)Fugen, sind häufige Schwachstellen. Durch gerissene Fugendichtungen dringt Feuchtigkeit in den Untergrund und lässt diesen aufquellen oder es setzen sich Schimmelsporen in und auf den Fugen ab. Das führt zu den unansehnlichen, schwarz gepunkteten Fugenbildern, dir wir als unansehnlich und unhygienisch empfinden. Nicht nur aus gestalterischen, sondern auch baubiologischen Gründen zu recht. Da liegt es dann nahe, wenn Planende und ihre Kunden sich das fugenlose Bad wünschen. Ein weiterer, häufig geäußerter Grund für das fugenlose Bad ist der bewusste Verzicht auf Fliesen. Dieser Wunsch erschließt sich mir nur bedingt, ist die Vielfalt und damit der Variantenreichtum bei den Fliesen doch heutzutage so groß, dass optische Aspekte ausgeschlossen werden können. Mit großformatigen, raumhohen Formaten ist auch die immer wieder argumentierte Kleinteiligkeit passé. Liegt es also ebenfalls an den zuvor zitierten Silikonfugen?

Bewusste Entscheidung für den Verzicht

Soll ein fugenloses Bad realisiert werden, um den unschönen Silikonfugen oder lieblos verlegten Fliesen aus dem Weg zu gehen, dann sollte der Ansatz nochmals überdacht werden. Beide der genannten, ausschlaggebenden Gründe sind in den meisten Fällen auf schlechte Ausführung, geringes Budget und mangelhafte oder schlicht nicht existente Planung zurück zu führen. Wird mit dem gleichen „Invest“ das fugenlose Bad als einfaches Allheilmittel angestrebt, hat das Ergebnis zwar keine (in der Realität jedoch meist nur weniger) Fugen, die funktionalen und optischen Probleme sind im Anschluss aber eher noch größer. Vielmehr erfordert die Umsetzung eines fugenlosen Bades eine positive, bewusste Entscheidung dafür, als nur gegen Fugen oder Fliesen. Es ist noch mehr Planung, Sorgfalt und meistens auch mehr Budget notwendig, um mit den Verzicht dauerhaft glücklich zu sein. Bild rechts © Corian

Das fugenlose Bad gibt es nicht!

Die Gründe für ein fugenloses Bad sind vielfältig. Optische Einheit von Boden und Wand bis in die Dusche, homogene Oberflächen und funktionale barrierefreiheit, die nicht erst im Alter die morgendlich noch müden Zehen schützt. Bevor die nahtlosen Wellnessträume aufgrund der zahlreichen Vorteile aber zu euphorisch werden, muss ich Sie aber enttäuschen. Auch die so genannten und gerne beworbenen Lösungen für „fugenlose Bäder“ kommen bei genauer Betrachtung nicht gänzlich ohne Fugen aus. Die Anzahl ist allerdings deutlich reduziert, in der Fläche in der Regel sogar zu 100%, an den Kanten werden jedoch nach wie vor Fugen benötigt. Bei guter Ausführung sind diese unverzichtbaren Fugen aber optisch und funktional so sauber integriert und ausgeführt, dass sie weder stören noch zum oben erwähnten Problemfall werden. Dafür gibt es inzwischen Fachunternehmen von hochwertigen Fugenmassen, bei denen auch Kleinmengen im individuellen Farbton bestellt werden können. Ist daher nicht der Begriff „fugensauber“  der passendere? Bild links © Westag & Getalit AG

Dusche ohne Fugen

Besonders hohe Anforderungen werden an die fugenlose Dusche gestellt. Damit die Oberflächen nicht nur den optischen Anforderungen entsprechen und eine Einheit von Wand und Boden bilden, ist hohe Sorgfalt in der Planung und Ausführung notwendig. Das beginnt bereits beim Untergrund, unabhängig ob Neu- oder Umbau. Entsprechend der finalen Beschichtung muss dieser vorbereitet werden. Für mineralische Putzaufbauten sollte er möglichst glatt sein, andernfalls ist eine Nivellierung notwendig. Der Untergrund wird dann mit einer entsprechenden Grundierung versehen. Die dann folgende eigentlichen Beschichtung kann aus verschiedenen Werkstoffen bestehen. Eine gängige Lösung sind 3-Komponentensysteme aus den Bestandteilen Pulver, Harz und Pigmente. Mit nur wenigen Millimetern Auftragsstärke wird diese verputzt. Die Zusammensetzung und Verarbeitung (Handwerkskunst / Kellenschlag) bestimmen maßgeblich das sichtbare Endergebnis. Als finaler Arbeitsschritt folgt dann noch die Versiegelung, um die Oberfläche wasserabweisend zu machen und die spätere Reinigung zu erleichtern. Der gesamte Systemaufbau mit Abdichtung, Gewebe und Schlussbeschichtung kann bis zu 7 Schichten beinhalten, alle mit entsprechenden Trocknungszeiten. Eine Badsanierung in einem Tag ist damit passé. Bild unten © Westag & Getalit AG

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Kalkmarmorputz oder Tadelakt

Bereits seit der Antike gibt es die marokkanische Putztechnik Tadelakt. Dabei handelt es sich um reinen Kalkputz, der durch starke Verdichtung im noch feuchten Zustand eine hohe Festigkeit erhält. Bei der Verarbeitung, auch als Kalkpresstechnik bezeichnet, wird mit einem Halbedelstein verdichtet und poliert. Durch finale Behandlung mit Seifen erhält der Kalkputz seine hydrophoben Eigenschaften und wird wasserabweisend. Ursprünglich zur funktionalen Abdichtung von Zisternen entwickelt, ist die edle Beschichtung bis heute auch in Hamams und Bädern zu finden. Um den Arbeitsaufwand etwas zu reduzieren, wurden die Rezepturen weiterentwickelt. Moderner Kalkmarmorputz kann nicht nur ebenfalls fugenlos auf der Fläche verarbeitet werden, er vrfügt hinsichtlich den Verarbeitungsschritten, Oberflächenfestigkeit und Dichte deutliche Vorteile. Nach wie vor wirkt sich das Putzsystem auch positiv regulierend auf das Raumklima aus. Da die Oberfläche nicht geschlossen ist, bleibt die Beschichtung atmungsaktiv und fasziniert mit einer sicht- und spürbaren Natürlichkeit. Bilder links © Farbrat

Individuelle Handschrift

Anders als bei den industriell produzierten Fliesen oder Verkleidungen ist bei der Umsetzung von Beschichtungen vor Ort immer die individuellen Handschrift des jeweiligen Verarbeitenden zu sehen. Eine exakte Reproduzierbarkeit der Struktur und Farbe bereits besichtigter Projekte oder Musteroberflächen ist nahezu unmöglich. Das macht jedoch den Wert und die Einmaligkeit aus, da jede Ausführung ein echtes Unikat ist.

Planungsaufwand und Handwerkskunst

Wie eingangs erwähnt, ist der Planungsaufwand bei einem fugenlosen Bad deutlich größer und komplexer, als die schnelle Zeichnung oder Skizze vermuten lässt. Es sind umfangreiche Fachkenntnisse und jede Menge Erfahrung notwendig. Speziell im Duschbereich ist Untergrundkenntnis unerlässlich. Bei der Abdichtung ist die DIN 18534 für eine „Abdichtungen im Verbund“ zu beachten, bei der laut jüngster Fassung mit bodenebenen Duschen das gesamte Badezimmer entsprechend abgedichtet werden muss. Das Gefälle, Anarbeitungen und die Eignung des Duschablaufs – viele Modelle sind für fugenlose Oberflächen nicht geeignet, da konzipiert für Fliesen oder Naturstein – erfordern ebenfalls jede Menge Fachwissen. Und schlussendlich ist der Koordinationsaufwand der verschiedenen Gewerke durch die vielen Arbeitsschritte und Trocknungszeiten mit erhöhtem Aufwand verbunden. Da sind Planende gut beraten, mit kompetenten Betrieben zusammenzuarbeiten, die idealerweise bereits Referenzen in diesem Bereich vorzuweisen haben.

Die angebotene Materialvielfalt ist inzwischen groß und es tummeln sich unzählige Herstellunternehmen auf dem Markt der Beschichtungssysteme – jedoch meist ohne umfassenden Support und als reiner Materialvertrieb angelegt. Bei Reklamationen oder im Schadensfall stehen Sie dann alleine da. Bild rechts © KSV

Weitere Werkstoffe zur Vermeidung oder Reduzierung der Fugen

Zusätzlich zu den erwähnten Beschichtungstechniken und Putzen gibt es weitere Strategien mit denen die Anzahl der Fugen im Bad auf ein Minimum reduziert werden kann. Ein praktikabler Lösungsansatz sind großformatige Elemente. Am Stück eingebaut, kann beispielsweise mit der neuen Generation an Fliesen und Keramiken raumhoch gearbeitet werden. Mit Abmessungen bis weit über 3 Meter Spannweite sind selbst hohe Räume oder Duschen ohne flächige Fugen umsetzbar. Die Palette der Designs dieser großformatigen Fliesen wächst kontinuierlich. Mit modernen Drucktechnologien werden auf den Keramiken Marmor oder Naturstein Optiken nachgestellt, bei denen selbst das geübte Auge getäuscht wird.

Wer es extrem langlebig, edel und individuell mag, setzt auf Naturstein mit entsprechend großen Abmessungen. Wie bei den Fliesen ist dabei jedoch der Transport zu beachten. Gerade im Altbau stellt nicht selten das Treppenhaus den reglementierenden Faktor bei den gigantischen Abmessungen dar.

Auch Mineralwerkstoff kann fugenlos verarbeitet werden. Die Plattenstöße lassen sich nahezu unsichtbar verkleben und verschliefen. Daraus gefertigte Waschtischanlagen sind besonders pflegeleicht. Daher kommen solche langen, modernen „Waschtröge“ auch häufig in öffentlichen Bereichen bis zu strapazierten Sportstätten zum Einsatz. Auch individuelle Duschtassen oder Sanitärmöbel lassen sich aus dem robusten Werkstoff fertigen, die anmuten als wären sie aus einem Guss. Bild unten © Farbrat

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Das Bad als Einheit

Ohne Fugen ein Bad auszuführen ist eine Kunst für sich. Wenn es allerdings mit den passenden Beschichtungen und Materialien gelingt, die Anzahl der Fugen auf ein Minimum zu reduzieren und diese dann noch handwerklich sauber ausgeführt sind, dann lassen sich wahre Traumbäder realisieren. Der Trend zum immer größeren Bad, das nahtlos in den Schlaf- oder Wohnbereich übergeht, verstärkt den Wunsch nach solchen Ausführungen nur noch mehr. Optisch ein Genuss, haben fugenlose Bäder auch das Potential ein positives Wohnklima mit zu beeinflussen, das sich in der gesamten Wohnung ausbreiten kann. Es lohnt sich also, darüber nachzudenken wie es gelingt, einige der klassischen Fugen los zu werden.

Vorteile fugenloser Bäder:
> Verschiedene Flächen erscheinen als eine optische Einheit
> optische Einheit von Boden und Wand bis in die Dusche
> Kein Materialwechsel zwischen Dusche und Wand notwendig
> homogene Oberflächen
> Gefälle im Nassbereich lässt sich besser individualisieren
> Die Position des Abfluss ist nicht an fixe Abmessungen von Wannen oder Becken gebunden
> Sondermaße und freie Formate lassen sich damit einfacher realisieren
> funktionale Barrierefreiheit

Bild rechts © Corian

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